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Schule für Umweltaktivismus

In Peru spüren immer mehr Menschen die Auswirkungen der Klimakrise am eigenen Leib. Vielen fehlt es bei diesem Thema aber an Basiswissen über Hintergründe und Zusammenhänge. Die Klimaorganisation MOCCIC organisiert deshalb regelmässig Schulungen für Klimaaktivist:innen, die über die Landesgrenzen hinaus auf Interesse stossen.

Gabriela Neuhaus
Eine von MOCICC organisierte Klimademonstration vor dem Justizgebäude in Lima im September 2021. Die Partnerorganisation von Comundo setzt sich in Peru gegen die Klimakrise und für Klimagerechtigkeit ein. Foto: Marlon Flores

Schmelzende Gletscher, Dürren und Überschwemmungen – der Klimawandel ist in Peru längst angekommen. Obschon das Land gerade mal für 0,4 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, leiden insbesondere jene Menschen in den Anden und im Amazonas, die wirtschaftlich benachteiligt sind, unter den Auswirkungen der Klimakrise. Die diesjährige Regenzeit brachte dem Norden des Landes verheerende Unwetter. Ganze Städte und Dörfer wurden zerstört, es gab zahlreiche Tote. «Die Menschen schreiben solche Wetterextreme gerne El Niño zu. Meist ist ihnen nicht bewusst, dass sich dieses Phänomen durch die Klimakrise verstärkt», sagt Michèle Stebler. Die ausgebildete Sozialarbeiterin mit mehrjähriger Erfahrung in Umweltbildung lebt und arbeitet seit zwei Jahren im Rahmen eines Comundo-Einsatzes in Peru. Sie ist Mitarbeitende im Programm «Klimaaktivismus und Aktionen» bei der Klimabewegung MOCCIC (Movimiento Ciudadano frente al Cambio Climàtico).

Wissen als Basis fürs Handeln

MOCCIC entstand 2009 als nationales Netzwerk von rund vierzig Organisationen, die sich im ganzen Land gegen die Klimakrise und für Klimagerechtigkeit engagieren. Im Zentrum des Engagements stehen die Sensibilisierung der Bevölkerung für Umweltfragen sowie Aktionen auf politischer Ebene. Ein wichtiges Standbein ist dabei die Schule für Klimaaktivismus (Escuela de Activismo), wo sich Interessierte im Rahmen von Kursen und Workshops informieren und austauschen können. In der breiten Bevölkerung sind die Hintergründe und Zusammenhänge in Bezug auf Klimakrise und Klimagerechtigkeit wenig bekannt. Umso wichtiger sind Informationskampagnen wie das Schulungsangebot von MOCCIC: Wissen ist eine unabdingbare Voraussetzung für jedes Klimaengagement.Der Unterricht ist in zwei Teile gegliedert: Im ersten Teil informieren Expert:innen an drei Abenden per Zoom über Themen wie soziale und politische Aspekte des Klimawandels oder nachhaltige Energie.

Teil des Wandels

Für den zweiten Teil der Aktivist:innen-Schulung treffen sich jeweils dreissig Teilnehmende zu einem Workshop in Lima. So etwa Mitte April, wo an drei Tagen regionale Fragen wie Landenteignung und Herausforderungen der Klimaveränderungen für die indigene Bevölkerung im Amazonas und in den Anden vertieft angegangen wurden. Der 24-jährige Mario war einer von ihnen. Er studiert in Lima Umweltingenieurwissenschaft und ist durch seine Familie, die in den Anden Landwirtschaft betreibt, zum Klimaaktivismus gekommen: «Bei uns hiess es immer: Du musst die Umwelt schützen, denn wir bekommen etwas von ihr zurück.» Die 22-jährige Rosa, die aus Ayacucho im Süden des Landes angereist ist, wurde durch die Realitäten in ihrer Region politisiert: «Es gibt keinen Regen, der Erdboden ist ausgetrocknet, er hat Risse und Spalten, so wie man es sonst nur von Bildern kennt. Vermehrt werden auch Wälder abgeholzt, was zu unerträglicher Hitze führt, und die Flüsse sind so verschmutzt, dass die Menschen ihr Wasser nicht mehr nutzen können.» Beide haben sich für den Workshop eingeschrieben, weil sie nicht zusehen wollen, wie sich die Situation laufend verschlimmert. Rosa betont, sie wolle Teil des Wandels sein – eines Wandels zu echter, ganzheitlicher Klimagerechtigkeit: «Für mich bedeutet Klimagerechtigkeit, dass die Natur die gleichen Rechte besitzt wie wir Menschen. Der Mensch soll von der Natur profitieren, darf sie aber nicht ausbeuten.»

Sensibilisierungsarbeit in schwierigem Umfeld

Künftig will MOCCIC auch ausserhalb von Lima Aktivist:innen-Workshops anbieten. Geplant sind für 2023 Präsenzkurse in zwei Regionen. Wo genau, steht noch nicht fest. Planen sei in Peru eine Herausforderung, sagt Michèle Stebler. Die Unwetter im Frühjahr hätten zeitweise das Reisen verunmöglicht, aber auch die politische Instabilität führe dazu, dass man sehr vorsichtig agieren und immer wieder improvisieren müsse. Angesichts der schwierigen Lebensbedingungen ist es in Peru herausfordernd, Menschen für ein Engagement etwa bei der Klimastreikbewegung Fridays for Future zu motivieren. Trotzdem gibt es immer wieder Demonstrationen und Aktionen zu Themen mit Bezug zu Klimafragen. «Wir unterstützen zum Beispiel unsere Mitgliedsorganisationen, die im Bereich Verschmutzung der Umwelt durch Minen arbeiten bei Protestveranstaltungen oder Aktionen im Amazonasgebiet, wo sich die Menschen gegen Ölbohrungen wehren, die ihr Wasser verschmutzen und ihre Lebensgrundlagen zerstören», sagt Michèle Stebler. Eine in Peru weit verbreitete Form des Aktivismus sind auch die sogenannten «Muralizaciones»: Regelmässig bemalen Klimaaktivist:innen von MOCICC Mauern mit bunten Bildern und Lettern und verkünden so ihre Botschaften zur Klimakrise. Damit erreichen sie zwei Ziele auf einmal: Die Sensibiliserungskampagne dient gleichzeitig der Verschönerung des Quartiers.

Das Landesprogramm von Comundo in Peru wird von der DEZA (EDA) unterstützt, im Rahmen des institutionellen Programms von Unité.

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