Hepatitis B: Die Diagnose allein reicht nicht
Gegen Hepatitis B gibt es seit über dreissig Jahren eine sehr effektive Impfung und wirksame Behandlungsmethoden. Trotzdem bleibt die virale Infektionskrankheit in vielen Teilen der Welt ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko, insbesondere bei einem chronischen Verlauf. In Guinea leben etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Bevölkerung mit einer chronischen Hepatitis-B-Infektion. Das von SAM global unterstützte Centre Hospitalier Régional Spécialisé kämpft dagegen an – mit moderner Diagnostik, aber wenig Ressourcen.
![Der RadiologieTechniker Bernard Zoumanigui führt bei einem Patienten eine Fibroscanmessung durch. Foto: Cornelia Staehelin](/media/__processed__/d93/Fibroscan_2_srgb-06ad47ccd1c5.webp)
Für die meisten Menschen in der Schweiz ist Hepatitis B nicht mehr als eine Standardimpfung, ein Eintrag im Impfbüchlein, von dem wir gar nicht so genau wissen, wovor er uns eigentlich schützt. Irgendwie erstaunlich, denn weltweit ist die Infektionskrankheit bis heute ein ernstes Gesundheitsrisiko. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass 2022 254 Millionen Menschen mit einer chronischen Hepatitis-B-Infektion lebten, mit 1,2 Millionen Neuinfektionen pro Jahr. Unbehandelt kann eine chronische Infektion erst zu Leberzirrhose oder Leberzellkrebs und schliesslich zum Tod führen. 2022 starben deswegen etwa 1,1 Millionen Menschen. Auch das ist auf den ersten Blick erstaunlich, existieren doch eine fast hundertprozentig wirksame Impfung und effektive Behandlungsmethoden. Auf den zweiten Blick wird allerdings schnell klar, warum das so ist: Fast 65 Prozent aller Betroffenen leben in den WHO-Regionen Westpazifik und Afrika. In Ländern, wo die staatlichen Institutionen und das Gesundheitswesen schwach sind, fehlen oft schlicht die Ressourcen, um die Bevölkerung gegen Hepatitis B zu impfen, darauf zu testen und angemessen zu behandeln. Eine Herausforderung, mit der das Centre Hospitalier Régional Spécialisé (CHRS) in Macenta (Guinea) täglich konfrontiert ist.
Die Folgen einer chronischen Infektion
Seit den frühen 1980er-Jahren wird das CHRS von Unité-Mitglied SAM global unterstützt. Zunächst halfen Einsatzleistende beim Aufbau der Hepatitis-B-Abteilung und bei der Ausbildung der Mitarbeitenden mit. 2018 wurde die Leitung des Spitals von einer guineischen Direktion übernommen und die Schweizer Ärzt:innen unterstützen nur noch punktuell, hauptsächlich bei der Weiterbildung des Ärzte- und Pflegepersonals und als strategische Coaches. Eine von ihnen ist Dr. Cornelia Staehelin, die seit 2016 einmal pro Jahr ein paar Wochen in Macenta arbeitet: «Ein Meilenstein war 2019 die Inbetriebnahme des Fibroscans. Mit dem Gerät kann der Schweregrad der Vernarbung der Leber festgestellt und damit das Stadium der Hepatitis-B-Infektion abgeschätzt werden. Ich habe meinen guineischen Kolleg:innen gezeigt, wie dieses Gerät funktioniert und wie die Bilder zu interpretieren sind.»
Das Fibroscan-Gerät erleichtert die Arbeit der Ärzte am CHRS, sie können damit viel mehr Personen testen und genauere Diagnosen stellen. Dr. Yakpazouo Guilavogui, Medizinischer Direktor am CHRS: «Mit dem Fibroscan können wir eine chronische Infektion entdecken, wenn es sonst noch keine Anzeichen dafür gibt. Seit wir in unserem Spital mit diesem Gerät arbeiten können, kommen sogar Patient:innen aus angrenzenden Ländern – insbesondere aus Liberia und der Elfenbeinküste – zu uns, um sich gegen Hepatitis B behandeln zu lassen.»
![Daniel Galada Béavogui ist seit Anfang 2023 Direktor des CHRS. Foto: SAM global](/media/__processed__/0a9/Daniel_Galada_srgb-63897cdf962e.webp)
![Dr. Cornelia Staehelin arbeitet seit 2016 einmal pro Jahr ein paar Wochen im CHRS in Macenta. Ihre Passion ist die Ausbildung der lokalen Ärzte. Foto: SAM global](/media/__processed__/586/Cornelia_1_srgb-63897cdf962e.webp)
![2018 hat SAM global die Leitung des CHRS an eine guineische Direktion übergeben. Foto: SAM global](/media/__processed__/1ee/SAM_CHRS_Ubergabe_srgb-63897cdf962e.webp)
![Der RadiologieTechniker Bernard Zoumanigui führt bei einem Patienten eine Fibroscanmessung durch. Foto: Cornelia Staehelin](/media/__processed__/d33/Fibroscan_2_srgb-63897cdf962e.webp)
![Das Labor des von SAM global unterstützten Centre Hospitalier Régional Spécialisé in Macenta (Guinea). Foto: Unité](/media/__processed__/47e/Macenta_1_srgb-63897cdf962e.webp)
Je früher eine chronische Hepatitis-B-Infektion erkannt und behandelt wird, desto kleiner ist das Risiko von Folgekomplikationen. Leider kommen die Patient:innen meistens erst ins Spital, wenn sie bereits Symptome haben und es für eine wirksame Therapie bereits zu spät ist. Oft bleibt nichts mehr weiter, als zu versuchen, mit einer antiviralen Behandlung den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und Spätkomplikationen wie Leberzirrhose und Leberzellkrebs zu verhindern. Wenn die Virenlast einer infizierten Person mit der Therapie so weit gesenkt werden kann, dass sie im Blut nicht mehr messbar ist, steckt sie auch niemanden mehr an und die Infektionskette wird unterbrochen. Personen, die mit einer chronischen Hepatitis-B-Infektion leben, müssten die medikamentöse Therapie ein Leben lang fortsetzen. «Müssten», denn viele von ihnen können sich die Medikamente schlicht nicht leisten.
Die Folgen der chronischen Unterfinanzierung
Daniel Galada Béavogui, seit Anfang 2023 Direktor des CHRS, stellt fest: «Damit sind die Präventionsmassnahmen auch schon erschöpft, welche die Spitäler in unserem Land leisten können. Alles steht und fällt mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen.» Doch selbst Spitäler wie das CHRS, die von NGOs unterstützt werden, sind chronisch unterfinanziert. «Für mich als Spitaldirektor ist das sehr frustrierend. Wir haben zwar die Möglichkeit für eine Diagnose, aber was bringt diese, wenn wir weder die Patient:innen behandeln noch ihre Familien vor einer Ansteckung schützen können?»
Die einzige staatliche Präventionsmassnahme gegen Hepatitis B in Guinea ist die Kinderimpfung, mit der 2006 begonnen wurde und die etwa zehn Jahre später auch die abgelegeneren Regionen wie Macenta erreichte. «Für eine wirklich wirkungsvolle Prävention bräuchten wir flächendeckende Tests und die Möglichkeit, alle chronisch Infizierten in einem Spital zu behandeln sowie die Nicht-Infizierten zu impfen. Genügend Therapie und Impfstoff zu haben, wäre wirklich genial», sagt Dr. Staehelin. Was getan werden müsste, um die Menschen in Guinea vor Hepatitis B zu schützen, ist offensichtlich. Und der Wunsch von Spitaldirektor Galada Béavogui und seinem Team am CHRS ist eigentlich bescheiden: Dass Hepatitis B auch für ihre Patient:innen und alle Menschen im Globalen Süden bald nur noch ein Eintrag in ihrem Impfpass sein wird und der Schutz vor einer chronischen Infektion nicht länger ein Privileg darstellt.
Teile des Landesprogramms von SAM global in Guinea werden von der DEZA (EDA) unterstützt, im Rahmen des institutionellen Programms von Unité 2021-2024.