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Rohstoffabbau und Menschenrechte in Peru: Lokales Engagement mit internationaler Unterstützung

Ariana Kana steht auf einem Hügel in ihrer Heimatgemeinde Huisa in Perus Provinz Espinar und blickt hinüber auf die Kupfermine Tintaya-Antapaccay, welche sich über ein Gebiet erstreckt, das so gross ist wie Liechtenstein. Sie hat die Entstehung dieser Mine seit ihrer Kindheit miterlebt, genauso wie die damit verbundenen Konsequenzen für die dort ansässige Bevölkerung. In ihrem Kampf für Gerechtigkeit und den Erhalt der Lebensgrundlagen der indigenen Gemeinschaften wird die Aktivistin und Bezirksrätin von Comundos Partnerorganisationen unterstützt.

Sara Ryser
Die Kupfermine Tintaya- Antapaccay liegt in umittelbarer Nähe der Provinz Espinar und der Heimatgemeinde von Ariana Kana.

Die peruanische Regierung definiert Entwicklung noch immer einzig als Wirtschaftswachstum und sieht die Rohstoffindustrie als Wirtschaftsmotor, der dem Land dringend notwendiges Kapital in die Staatskassen spülen soll. Mit verheerenden Konsequenzen für die indigenen Gemeinschaften vor Ort: Ihre Lebensgrundlagen – allen voran der Zugang zu sauberem Wasser und gesunden Böden – werden beeinträchtigt oder sogar zerstört. Die Folge sind Menschenrechtsverletzungen und soziale Konflikte.

Schwermetalle im Quellgebiet

Ariana Kana erinnert sich an ihre Kindheit und erzählt davon, wie die Bergbauaktivitäten vor rund vierzig Jahren in unmittelbarer Nähe ihrer Gemeinde sich immer weiter ausbreiteten. «Auf dem Weg ins Dorf mussten wir aufpassen, dass wir nicht von Steinen getroffen wurden, die bei den Sprengungen für die Mine durch die Luft flogen. Der Fluss, in dem wir als Kinder spielten, begann sich zu verfärben, sodass wir nicht mehr auf den Grund sehen konnten. Damals dachten wir noch, dies sei natürlich. Nie hätten wir gedacht, dass unser Wasser mit Arsen, Blei und Quecksilber aus dem Bergwerk vergiftet war.» Doch dann begannen plötzlich die Frösche und Fische zu sterben, später wurden die Anwohner:innen krank und das Vieh verendete. Auch Kanas Mutter erkrankte 2020 und war plötzlich sogar halbseitig gelähmt. Später stellte sich heraus, dass die Beeinträchtigungen ihres Zentralnervensystems auf Schwermetallbelastungen zurückzuführen sind – unter anderem fanden die Ärzte Arsen, Blei und Kadmium in ihrem Blut.

Heute ist erwiesen, dass die Schwermetallbelastung der Einwohnenden von Espinar auf die Bergbauaktivitäten zurückzuführen ist. Doch die Betroffenen erhielten weder von der Bergbaugesellschaft noch von den staatlichen Behörden medizinische Unterstützung. Für Kana war diese Ungerechtigkeit der Grund, politisch aktiv zu werden und sie begann, sich für die Einhaltung der Umwelt- und Menschenrechte der indigenen Gemeinschaften in ihrer Heimatgemeinde einzusetzen. Unterstützung fand sie schliesslich bei NGOs, unter anderen bei den Comundo-Partnerorganisationen Red Muqui und CooperAcción. In Workshops dieser Organisationen erarbeitete sie sich das nötige Wissen, um bei den Behörden die Rechte ihrer Gemeinschaft einzufordern. «In den Workshops lernte ich viel über die wirtschaftlichen, politischen, umweltwissenschaftlichen und rechtlichen Aspekte des Bergbaus sowie über dessen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt. Hier hatte ich erstmals erfahren, dass die Provinz Espinar ein Quellgebiet ist. Die verheerenden Folgen des Rohstoffabbaus in unserer Region sind Wassermangel und vergiftete Gewässer.»

Kana setzt sich insbesondere für das Recht auf sauberes Wasser ein – für etwas also, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Sie ist dabei nicht allein, in Peru haben vom Bergbau Betroffene die Nationale Plattform der Betroffenen von toxischen Metallen gegründet. Eine Koalition von NGOs unterstützt die Plattform mit fachlicher und rechtlicher Beratung. Zu dieser NGO-Koalition gehören auch Red Muqui und CooperAcción. Diese Organisationen engagieren sich mit Sensibilisierungskampagnen, Lobbyarbeit und Vernetzung, damit die Öffentlichkeit in Peru und international von den Auswirkungen des Rohstoffabbaus auf die lokalen Gemeinschaften erfährt.

Die peruanische Aktivistin und der Schweizer Journalist ziehen am gleichen Strick

Bei CooperAcción treffen sich die Wege von Ariana Kana und dem Comundo-Einsatzleistenden Thomas Niederberger. Der Journalist unterstützt die Organisation seit Anfang 2022 dabei, ihre Öffentlichkeitsarbeit über Peru hinaus auszuweiten. Die durch die Rohstoffförderung betroffenen Personen werden in die Entwicklung von Sensibilisierungsmassnahmen eingebunden.

Damit trägt der Einsatz von Niederberger direkt dazu bei, dass Betroffene die notwendigen Instrumente erhalten, um ihre Rechte einzufordern. Ausserdem werden dank der öffentlichen Berichterstattung Debatten über das Wirtschaftsmodell des Extraktivismus angestossen und alternative Entwicklungsmodelle bekannt gemacht, welche die Menschenrechte und den Umweltschutz ins Zentrum stellen.

Im Oktober 2022 wurde Ariana Kana in den Bezirksrat von Espinar gewählt. Ein wichtiger Schritt, der ihrem Aktivismus neuen Auftrieb und mehr Gewicht verleiht. Auch als Bezirksrätin setzt sie sich dafür ein, dassdie Grundrechte der Bevölkerung von Espinar respektiert werden und sie endlich wieder Zugang zu sauberem Wasser und gesunden Böden erhält. Einen Erfolg konnte sie bereits erreichen: Die Bezirksbehörde führt jetzt ein Register, in das sich Personen eintragen können, die aufgrund der Schwermetalle erkrankt sind und auf nationaler Ebene wurde ein Aktionsplan beschlossen. Damit ist die Basis gelegt für gezielte Massnahmen, um sowohl betroffene Menschen konkret zu unterstützen wie auch strukturelle Veränderungen zu erwirken. Die Sensibilisierung für das Problem ist gestiegen, doch es braucht weiterhin Druck, um konkrete Verbesserungen umzusetzen. Solange der peruanische Staat und die Schweizer Rohstofffirmen ihren Profit über die Gesundheit und Rechte der Bevölkerung vor Ort und der indigenen Gemeinschaften stellen, solange werden Ariana Kana und ihre Mitstreiter:innen ihren Kampf für Gerechtigkeit weiterführen.

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